BIN ICH EIN RASSIST?  
 

  
RELAX

Der erste und edelste Schritt ist schon mal getan: Zugeben, dass man nicht unfehlbar ist.

Keine Angst, Rassisten sind nicht unbedingt prügelnde Glatzen sondern manchmal erwischt es auch nur Leute, die den Unsinn, den ihnen ihr Umfeld/die Öffentlichkeit eingeredet hat, noch nicht unter Einsatz von Logik selbst hinterfragt haben. Rassismus heißt nicht, eine bestimmte "Rasse" zu "hassen", sondern zu glauben, dass Menschen wegen ihrer biologischgeografischen Herkunft "angeboren" oder "naturgemäß" über spezifische Vorlieben, Talente, Neigungen oder Charakter-Eigenschaften verfügen.

Rassismus ist unter anderem:

  • der Reflex, die Strassenseite zu wechseln wenn einem zwei Schwarze entgegenkommen.
  • eine Frau als "Cappuchinoschönheit" zu bezeichnen.
  • zu finden, dass "Schwarze super singen können" und nochmal nachzufragen, ob der Schwarze Rechtsanwalt "wirklich Rechtsanwalt ist", nur um ganz sicher zu gehen.
  • Schwarze Deutsche zu fragen, wo sie "wirklich herkommen" und ob der "Papa oder die Mama Schwarz" sei.
  • zu sagen "wir haben doch schon einen Schwarzen in der Band, noch einer muss nicht sein".
  • zu sagen "ich kenne viele Schwarze also kann ich kaum Rassist sein" oder "in Deutschland gibt es doch gar nicht soo Rassismus".
  • zu ignorieren, dass unsere Gesellschaft weiße Menschen strukturell und institutionell stark bevorzugt, und dadurch sein weißes Privileg zu leugnen.

Am Wochenende auch mal mit Schwarzen auszugehen bedeutet nicht automatisch, dass man kein Rassist ist. Ebenso wenig wie mit vielen Frauen zu sprechen nun mal nicht bedeutet, dass man "kein Sexist sein kann".

Rassismus hat so an sich, dass ihn vor allem diejenigen bemerken, die davon betroffen sind. Falls einzelne weiße Deutsche Rassismus nicht ständig erfahren, dann ist das sehr erfreulich, heißt aber leider nicht, dass es ihn nicht oder nur selten gibt, sondern nur dass sie ihn nicht mitbekommen weil sie nicht die Zielscheibe sind. Zu behaupten, es gebe "kaum Rassismus" ist eine der beleidigendsten Aussagen, die man als nicht-Betroffener tätigen kann, weil sie die täglichen Erfahrungen hunderttausender Leute, die das nunmal besonders gut beurteilen können, ignoriert und sich auf anmassende und verletzende Art "über" sie stellt: bei allem was sie mitmachen müssen, wird das nun auch noch bestritten. So etwas ist bestenfalls ignorant.

Kein Mensch ist dagegen immun, Vorurteile und bescheuerte Verhaltensweisen aufzunehmen, die von der Gesellschaft beständig serviert und bestätigt werden. Erwachsene Menschen können aber, sobald sie das einmal bemerkt haben, ihren Gehirninhalt (selbst den ein bisschen besser versteckten) zu grossen Teilen selbst beeinflussen, sich und ihre Ansichten in Kathegorien wie "weiß ich", "glaub ich" und "hab ich so noch nie drüber nachgedacht" sortieren und sogar dazu beitragen, wie stark oder wenig rassistisch sie ihrem eigenen Umfeld in Zukunft erlauben, zu sein.

Der einzige wirkliche Rückschritt ist, einfach mal ungezwungen frei heraus zu behaupten "ich bin doch kein Rassist". Denn rassistische Tendenzen hat fast jeder, man "wird" nicht zum Rassist, sondern man arbeitet eher hart daran, keiner mehr zu sein. Wer am wenigsten darüber nachdenkt ist daher leider oft auch am infiziertesten weil das, was er oder sie früher darüber gelernt hat, noch unreflektiert in der Vorstellung "herumschwimmt". Gerade die Pauschalitäten, die wir als durchschnittliche Kinder in Deutschland über Schwarze und weiße (und AsisatInnen/"Indianer" etc) gelernt haben, waren noch häufig stark rassistisch eingefärbt, und wer diese Informationen nie überprüft hat (z.B. mit Hilfe von denen, die es wissen müssen: Schwarzen), kann gar nicht wissen, ob sie stimmen oder nicht. Zu behaupten "ich muss mich da nicht überprüfen denn ich weiß dass ich was das Thema angeht 100% okay bin" ist gelinde gesagt vermessen und nimmt eine schwere Angelegenheit auf die leichte Schulter (und lässt im übrigen auch die Frage aufkommen, ob es einen Grund für eine derartige reflexartige Abwehrreaktion gibt). Kaum ein Mensch, der Opfer von Rassismen war, würde so leichtfertig behaupten, ganz frei von Pauschalitäten und Vorurteilen zu sein (eben weil man sich als Opfer mit dem Thema auseinandersetzen muss und dabei wahrscheinlich eher auf die uncoole Wahrheit stösst: keiner ist ganz frei davon). Menschen, die nicht Opfer von Rassismus sind, sollten es sich also nicht so leicht machen, sondern wirklich versuchen, einmal ihre angesammelten Vorstellungen zu überprüfen. Und möglicherweise sogar dazuzulernen.

Oft liegt es an Wissenslücken, dass man sich selbst für nicht rassistisch hält. Wer beispielsweise nicht gesagt bekommt, dass und warum der Ausdruck "Mischling" eine Beleidigung ist, mag sich selbst nicht für einen Rassisten halten, das ändert aber nichts daran dass er sich komplett wie einer verhält, jedes mal wenn er das Wort verwendet.

Oft ist jedoch auch rassistische Sozialisierung schuld; man möchte das Privileg nicht aufgeben, bei jedem Diskurs die Oberhand zu behalten, sich als "neutral" konstruieren zu können, oder das Selbstbenennungsrecht von Schwarzen Menschen und PoC ignorieren zu dürfen.

Am "korrektesten" kann man sich verhalten indem man akzeptiert, auf diesem Gebiet kaum Ahnung zu haben wenn man nicht zur betroffenen Gruppe gehört und daher sein Leben lang entsprechende Erfahrungen macht bzw. sich kritisch und fundiert mit der eigenen Position und Gruppe auseinandersetzt. Anschliessend könnte man sich ein bisschen Literatur aus dem Gebiet der critical Whiteness/kritischen Weißseinsforschung zu Gemüte führen, denn wie bei allen anderen Themen auch besteht beim Thema "rassismusfreies Miteinander" kein Selbstinformationsverbot.

Es gibt viele gute Blogs und Bücher zu diesen Themen.

Rassismus zu bekämpfen ist harte Arbeit; wesentlich mehr davon in einem selbst als auf der Straße.

Weiterführende Artikel:

Die »Weißen« und die »Anderen«
von Eske Wollrad

Artikel über Weißsein
von Patricia Birungi