Zum Inhaltsverzeichnis / Zum Abo - Coupon / Brief an die Redaktion


"Einheitliches Erscheinungsbild"

Gefährliche Orte VIIa: Das Hotel Adlon, Berlins "korrekte Adresse", kommt ins Gerede.

Eine schwarze Berlinerin wurde wegen ihrer Frisur gefeuert: Nicht mitteleuropäisch

Um ihr Jurastudium zu finanzieren, bewarb sich die 24jährige Berlinerin Janine D.* im Juni dieses Jahres bei einer Zeitarbeitsfirma, die Aushilfspersonal an Berliner Hotels der Nobelklasse vermittelt. Für 15 Mark die Stunde sollte Janine D. nach einer kurzen Schulung bei Empfängen und Galadinners servieren. Vor ihrem ersten Job im Hotel Adlon wurde der jungen Frau, die mit ihrer Mutter vor 16 Jahren aus Burundi nach Deutschland kam, von der Zeitarbeitsfirma ein "adrettes und ordentliche Auftreten" nahegelegt. Für die schwarze Studentin mit deutschem Paß, die schon in Messeständen auf dem Berliner Kongreßgelände und bei Werbefirmen gearbeitet hat, war das keine ungewöhnliche Anforderung: "Ich war mir sicher, daß meine Kleidung und meine Frisur den Erwartungen entsprechen würden." Mit ihren halblangen gelockten Haaren in kleinen geflochtenen Zöpfen im klassischen Pagenschnitt unterscheidet sich Janine D. nur durch ihre Hautfarbe von weißen deutschen Altersgenossen.

Drei Tage sollte Janine D. im Servicebetrieb des Hotel Adlon aushelfen. Am ersten Tag wurde sie nach einer Stunde aus dem öffentlichen Bereich des Servierbetriebs abgezogen und mit zwei Kollegen aus Marokko und Algerien zum Tischdecken in einen leeren Saal geschickt. "Vier Stunden später wurde ich ohne Begründung nach Hause entlassen", erinnert sich Janine D.

Ein von der Zeitarbeitsfirma ersatzweise vermittelter Arbeitseinsatz beim Hotel Inter-Continental am gleichen Nachmittag endete, bevor er begonnen hatte. Der Personalchef erklärte ihr, daß "Leute mit Rastalocken" als Arbeitskräfte nicht erwünscht seien. Auf Nachfragen, was an ihrer Frisur zu beanstanden sei, erhielt Janine D. keine Antwort.

Schon "völlig eingeschüchtert" erschien Janine D. am nächsten Morgen wieder im Adlon zum zweiten Tag ihres Jobs. Zunächst arbeitete sie dort - erneut unsichtbar für die Gäste - in einem Küchenvorraum und putzt Besteckgarnituren. "Erst als deutlich wurde, daß wirklich nicht genügend Kellner und Serviererinnen vorhanden waren, wurde mir plötzlich gesagt, daß ich beim Servieren helfen solle." Janine D. brachte den Abend fehlerfrei hinter sich, mit dem festen Vorsatz, "nur nicht aufzufallen". Am folgenden Morgen erhielt sie einen Anruf von der Zeitarbeitsfirma. Ein Vertreter des Adlon habe sich über ihre Frisur beschwert, sie sei dort als Arbeitskraft nicht mehr erwünscht und solle zum vereinbarten dritten Arbeitstag im Adlon nicht mehr erscheinen. Zunächst reagierte Janine D. nicht. "Das Gefühl von Demütigung und Scham war zu groß." Eine afrodeutsche Freundin, die als Stewardeß bei einer großen Fluggesellschaft arbeitet, berichtete von ähnlichen Reaktion auf ihre Zopffrisur. "Die Leute denken immer, Zöpfe werden nie gewaschen und sind ungepflegt."

Janine D. schaltete schließlich einen Rechtsanwalt ein, der die Geschäftsführungen von Adlon und Inter-Continental zur Entschuldigung und zur Zahlung eines Ausfallhonorars aufforderte. Nach einigen Wochen erhielt Janine D. Post: Man sei bestrebt, "auf ein einheitliches Erscheinungsbild" des Personals zu achten, erklärte das Inter-Continental zur Begründung dafür, daß Janine D. sofort nach Hause geschickt wurde. Fast gleichlautend reagierte auch das Adlon. Dem "besonderen Wert", der auch hier auf das "einheitliche Erscheinungsbild der Mitarbeiter" gelegt wird, fügten die Rechtsanwälte der Kempinski-Aktiengesellschaft noch eine weitere Begründung hinzu: "Zu den Vorgaben (an die Zeitarbeitsvermittlung) gehört auch, daß die im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer von Haarschnitt und Frisur durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten zu genügen hatten und daß insbesondere keine hiervon abweichende Haartracht gestattet ist."

Die Nachfrage von Janine D.s Anwalt, was unter einem "durchschnittlichen mitteleuropäischen Haarschnitt" zu verstehen sei, blieb unbeantwortet. Auch sein Hinweis, daß keine arbeitsgerichtliche Entscheidung bekannt sei, die eine derart weitgehende Weisungsbefugnis des Arbeitgebers legitimieren würde, blieb fruchtlos. Auf jegliche Nachfragen reagierte das Adlon auch in der Folgezeit mit der gleichen stereotypen Begründung: Die Zöpfe seien für ein First Class Hotel zu auffällig gewesen, aber selbstverständlich sei man nicht rassistisch, schließlich würden im Adlon 78 nichtdeutsche Mitarbeiter beschäftigt. Nachdem die Frankfurter Rundschau den Fall publik machte und weitere Presseanfragen folgten, scheint Berlins "erste Adresse" etwas vorsichtiger zu werden. Dort will man sich mittlerweile nicht mehr so genau an den Vorfall erinnern.

  •  Heike Kleffner

(* Name von der Redaktion geändert)


Zum Inhaltsverzeichnis / Zum Abo - Coupon / Brief an die Redaktion